Die Securities and Exchange Commission (SEC) hat ihre Regel für den amerikanischen Aktienmarkt (repräsentiert ca. 50% des global gehandelten Aktienvolumens) veröffentlicht. Diese schreibt ab dem 28. Mai 2024 eine Handelsabwicklung von einem Bankarbeitstag nach Ausführung vor (Umstellung von T+2 auf T+1). Der Grundgedanke für diese Veränderung zur verkürzten Abwicklungszeit besteht darin, den Marktteilnehmern durch Risikoreduzierung, geringere Latenzzeiten und durch die Förderung größerer Effizienz und Marktliquidität zu helfen. Die Nichteinhaltung von T+1 nach diesem Datum kann Bußgelder, Sanktionen und Reputationsrisiken nach sich ziehen.
Auch wenn diese Änderung den meisten europäischen Marktteilnehmern bekannt sein mag, gibt es laut aktuellen Marktumfragen noch eine hohe Zahl von Marktteilnehmern, die sich noch nicht ausreichend auf diese massive Veränderung ihrer Prozesse vorbereitet haben. Eine Umfrage[1] unter mehr als 280 Asset Managern ergab, dass über 40% der Befragten noch nicht mit der Planung für T+1 begonnen haben.
Allein durch die Zeitdifferenz (Close-of-Business US 21 Uhr ET - entspricht 3 Uhr morgens MEZ) bedeutet dies, dass etwaige Ausnahmen, Differenzen oder spezielle Abwicklungsfragen entweder über Mitarbeiter in Spätschichten oder mit dem Fondsmanager/Händler direkt geklärt werden müssten.
Aber selbst wenn man dem aktuell diskutierten, kanadischen Vorschlag folgen würde und das Abwicklungsfenster über Nacht auf 4 Uhr USET (entspricht morgens 10 Uhr Europa MEZ) für T+1 zu verlängern, würde sich das Betriebsfenster zur Geschäftsabwicklung um bis zu 83% zum aktuellen Umfeld verkürzen.
Die Umstellung auf T+1 wird sich auf den gesamten Handels- und Abwicklungszyklus nachhaltig auswirken, insbesondere bei folgenden Prozessen:
Exemplarisch sollen die Herausforderungen, die europäische Markteilnehmer am US Aktienmarkt ab dem 28. Mai 2024 lösen müssen, im Bereich Treasury und Geldseite der Wertpapierabwicklung näher beleuchtet werden.
Der Kauf oder Verkauf von Aktien in verschiedenen Ländern (und Währungen) machen das gesamte Liquiditätsmanagement erheblich komplexer. Bei jedem Geschäftsabschluss muss sichergestellt sein, dass die erforderliche Liquidität zur reibungslosen Abwicklung des Geschäftes (zeitkritisch in US-Dollar/Fremdwährung) zur Verfügung steht. Durch die massive Verkürzung des Zeitrahmens auf T+1 wird das Zeitfenster zum Abschluss eines Devisengeschäftes inkl. valutengerechter Zahlungen erheblich verkürzt.
Daraus folgt, dass eine genau abgestimmte Koordination und Kommunikation zwischen allen Abwicklungsparteien (Anlegern, Maklern, Depotbanken,Clearingstellen etc.) in dem neuen, sehr engen Zeitfenster zwingend erforderlich ist.
Diese prozessuale Herausforderung - komplexe Vorgaben in stark verkürzter Zeit umzusetzen – bringen selbst bestehende automatisierte Prozesse an bzw. über ihr Limit. Die Verkürzung des Abwicklungszeitraums birgt zudem das Risiko erhöhter Fehlerhäufigkeit. Dies kann u.U. zu zusätzlichen Kosten und Verzögerungen bei der Abwicklung führen. Diese Herausforderung wird durch die unterschiedlichen Zeitzonen nochmals anspruchsvoller.
Damit nimmt der Druck auf die Branche, einen weiteren Ausbau der vollautomatisierten Abgleichs-und Bestätigungssysteme umzusetzen und eine generelle Entfernung unstrukturierter Anweisungen und Prozesse voranzutreiben, weiter zu. Nebeneffekte der Veränderungen können dabei verbesserte Compliance und Kostenstrukturen sein.
Wir sehen im Markt bereits einige Asset Manager, die, durch eine Bereitstellung von neuen oder erweiterten Funktionalitäten, gezielt Lösungen zur intelligenten Automatisierung dieser Herausforderung planen bzw. teilweise bereits einsetzen. Aufgrund der knappen Frist verpasst man aber vielfach die Automatisierung von Prozessen grundlegend neu auszurichten (Projekte auf Ad-hoc-Basis) und sich so wirklich in der gesamten Prozessbreite zukunftssicher aufzustellen.
Stichwort Hyperautomatisierung: Darunter fasst man den orchestrierten Einsatz mehrerer Technologien, Tools oder Plattformen zusammen, um Prozesse fit und flexibel für die Zukunft zu machen. Zu den einsetzbaren Tools gehören u.a. künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen (ML), ereignisgesteuerte Softwarearchitektur, robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) und nicht zuletzt Blockchain Technologie – denn sollte es z.B. eines Tages zu einem Real Time oder T0 Settlement kommen, haben KI und Distributed-Ledger-Technologie eine Schlüsselfunktion.
Aber nicht alles, was möglich ist, ist für jeden Markteilnehmer auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. Deshalb ist es besonders wichtig auf folgende Fragestellungen Daten-und analysebasierte Antworten zu haben:
Unsere große Stärke ist, das Zusammenspiel zwischen Business & IT zu optimieren!
Dies ist die Grundvoraussetzung im Bereich der Hyperautomatisierung, da der Erfolg einer so grundlegenden Prozessveränderung besonders von der Einbeziehung und dem Verständnis aller Stakeholder abhängt.
Unser Beratungsangebot umfasst im Speziellen:
[1] Umfrage der DTCC (Deposit Trust & Clearing Corporation) in Zusammenarbeit mit weiteren Branchengruppen
Autor: Jörg Isselmann